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Kreatives Lernen ist wildes Lernen: Aktionen der Erkenntnis

Veröffentlicht am von Birgit Riße

Kreatives Lernen ist wildes Lernen: Aktionen der Erkenntnis

Kreatives Lernen: Aktionen der Erkenntnis

Wir verbringen viel Zeit damit, uns damit zu befassen, was wir denken und was wir sagen.

Angesichts unserer alltäglichen Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten fragen wir uns aber selten nach dem wie: Wie denken wir? Wie führen wir unsere Gespräche und wie lösen wir Probleme?

Dass unsere erlernten Denkmuster und Kommunikationsweisen jedoch nicht so selbstverständlich sind, wie wir oft glauben, merken wir immer dann, wenn wir anderen Menschen aus anderen Kulturen und deren Selbstverständlichkeiten begegnen. Dabei begegnen wir nicht nur den vordergründigen Unterschieden wie die andere Sprache, Religion, Essen und Aussehen usw. sondern dahinterstehend auch anderen Wissensformen, anderen Lebensentwürfen und Wahrheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen.

Diese haben im Kontext ihrer Lebensformen ebenso ihre Geltung und Gültigkeit wie unsere in unserem Lebenskontext und ebenso wie die unsrigen ihre Grenzen des Denkstils und der Wahrnehmung. "Wahrheit ist, was der Denkstil sagt, dass Wahrheit sei." sagt der Philosoph Paul Feyerabend und bestreitet die Existenz eines privilegierten Zugangs zur Wahrheit – gültig sind alle Kriterien immer nur innerhalb einer historischen Zeit und Kultur. Weltweit aber auch innerhalb unserer Kultur haben wir es mit einer Vielzahl an Denkstilen, Wahrheiten, Normalität(en) und dabei mit ihren Unterschieden und ihren Grenzen zu tun. Konsequenterweise lässt sich eine solche Pluralität und ihre Differenzen nicht in einer Einheit aufheben, vereinheitlichen, denn jede Sichtweise und Denkweise hat ihr Recht.

Auch der Anspruch, über die Differenzen zu diskutieren und zu einer Einigung zu kommen, würde nicht ausreichen - denn die Denkform bestimmt die Grenzen des eigenen Denkens. Wenn z.B. ein Löwe die Menschensprache beherrschen und zu uns sprechen würde, würde dabei ein Mensch nicht so ohne weiteres einen Sinn in dem Gesagten erkennen können, weil für ihn die Lebensform des Löwen und seine Vorstellungen über die Welt (seine Denkform) nicht nachvollziehbar wären (miau) (Ludwig Wittgenstein).

Erst wenn ein Mensch in der Lage ist, in seinem eigenen Denken seine gewohnten Grenzen zu überschreiten und eine andere Perspektive einzunehmen, kann er auch andere Sichtweisen und Denkweisen erkennen und verstehen.

Die Grenzen der gewohnten Formen des Denkens überschreiten ist eine sehr kreative und manchmal auch mutige Leistung: Denn hier öffnen sich Denken und Lernen für etwas Neues, das aus dem Bekannten und Sicheren (Regeln, Kategorien, Maßstäbe) nicht mehr einfach abgeleitet werden kann und von dem das Ergebnis noch nicht feststeht. Denken wird kreativ, indem es grenzüberschreitend offen wird und ebenso öffnend für das, was sich als Ergebnis in der Begegnung und Auseinandersetzung entwickeln wird – an reflektierten Sichtweisen, an alternativen Problemlösungen, an neuen Formen z.B. in sozialen Projekten, bei Formen der Kommunikation, der Kooperation und der Verständigung etc.:

Kreatives Denken und Lernen verläuft experimentell in einem Prozess ohne bekannte Wege, feststehende Regeln und festgelegtes Ziel, geht auch Rückschritte, Umwege und Abwege. Metaphern wie „durch Labyrinthe finden“ und „unbekannte Landschaften erkunden“ bezeichnen diese erst nach neuen Orientierungspunkten suchende Vorgehensweise im noch unbekannten Gebiet (wie es z.B. der Philosoph Ludwig Wittgenstein als das Verfertigen von Landschaftsskizzen beim philosophischen Denken beschrieben hat, s.u. Bild 3).

Ganz im Gegensatz zum Bestätigungslernen und dem subsumtiven Verarbeiten von Erfahrungen, dem Einordnen in die Strukturen und Gesetzmäßigkeiten des Bekannten, dem Weiterdenken innerhalb der Logik des Ableitens entfaltet sich kreatives Lernen im offenen und provokativen Arrangement von Lernsituationen.

Dieses richtet sich darauf aus, nicht das Vertraute im Fremden aufzusuchen - als Gleiches in Ungleichem -, sondern neue Erfahrungen tentativ d.h. anschließend und erweiternd zu verarbeiten. Durch Lernprozesse lassen sich nicht nur die Unterschiede erkennbar machen, sondern auch ebenso ihre Entstehung durch die Art der Unterscheidung.

Erkennbar und hinterfragbar werden Wahrnehmungsbegrenzungen und Denksperren.

Hier geht es nicht um den Lernaufbau an Erfahrungen, die beispielhaft zur Generalisierung und Beweisführung bereits bekannter und nun vermittelter Gesetze und Regeln führen. Sondern um einen offenen Ausgang des Lernens zu neuen Erfahrungen, das sich Form von Projekten methodisch organisieren lässt.

Die Wahrnehmung – ihre Grenzen und die Möglichkeiten ihrer Schulung – steht auf dem Spiel: Intendiert wird eine intellektuelle Sensibilisierung im Sinne eines Anstoßens der Vernunft, im Sinne eines erkennenden Wahrnehmens, das auf die blinden Flecke jenseits der unmittelbaren Wahrnehmung aufmerksam wird.

Lernanstöße durch Erfahrungen in der arrangierten Lernsituation beim kreativen Lernen führen in der Begegnung mit Lerngegenständen, Aufgaben und anderen Lernenden zu erschließenden und selbsterschließenden Prozessen, indem die jeweils eigenen Denkstrukturen herausfordert werden – das Lernen assoziativ und mehrdimensional wird:

  • im Umgang mit vielen Perspektiven und Differenzen,
  • mit Fremdartigem, Konflikthaftem, mit Bruchstückhaftem,
  • mit Widersprüchlichem und Paradoxem, Vernetztem, Metaphern
  • aber auch in der Entwicklung eines Sinns für mögliche Verbindungen, Übergänge, Brücken zwischen den verschiedenen materialen Positionen und Sichtweisen wie z.B. im Umgang mit Interkulturalität (i.w.S. der Vielfalt an Positionen & gesellschaftlichen Kontexten) und im Umgang mit Konflikten.

In der Entwicklung zu einer Fähigkeit zu Kontextwechseln, zu Sinnerschließung und zu Übergängen lässt sich das kreative Lernen so auch als eine im weitesten Sinne „interkulturelle“ Sensibilisierung bezeichnen.

Auf der Grundlage von erfahrungsorientierter Projektarbeit entfaltet sich das kreative Lernen in der Gruppe durch einen Entwicklungsprozess, der sowohl kommunikativ als auch kooperativ voranschreiten kann. Gerade über die Begegnung der Lernenden in der Lernsituation bei gemeinsamer Aufgabenstellung und ihrer gemeinsamen Problemlösung in der Gruppe wird die Wirksamkeit einer vermittelnden und zirkulären Kommunikation im interkulturellen Sinne ermöglicht, die die diskursive Thematisierung evokativ übersteigt:

Im Zusammenspiel zwischen Erfahrendem, Erfahrenem und Miterfahrendem entsteht ein für alle entwicklungsanstoßendes Zwischenfeld neuer Erfahrungen - getragen von einem gemeinsamen Interesse (praktisch und kommunikativ).

Lernsituationen entfalten sich so eher konfrontativ, wahrnehmungsintensiv, erkundend und suchend, spielerisch erprobend und experimentell. Denken und Kommunikation in der Gruppe folgen dabei eigenen Gesetzmäßigkeiten und Mustern (wie bereits beschrieben). Solche Lernprozesse wiederum setzen genügend Spielraum ohne Druck und Hektik, und damit ohne gezielte Leistungserwartung und Prüfungsrelevanz voraus.

In dieser Hinsicht kann Unterricht auch nicht mehr als ein operationalisiertes Erzielen von Lernergebnissen verstanden werden. Sondern Lehrende modellieren Lernwelten, in denen offenes und kreatives Lernen ermöglicht wird. Sie verstehen sich eher als Moderatoren und Katalysatoren im Rahmen von arrangierten Lernanstößen und Lernereignissen im Projektprozess und organisieren Erfahrungs- und Denkräume, in denen offene und evozierende Verarbeitungsformen angeregt werden.

Fortsetzung folgt

Kreatives Lernen in der Gruppe ist sowohl ein kommunikativer als auch ein kooperativer Prozess in der  B e g e g n u n g  bei einer gemeinsamen Aufgabenstellung und ihrer gemeinsamen Problemlösung: Im Zusammenspiel zwischen  E r f a h r e n d e m,  E r f a h r e n e m  und  M i t e r f a h r e n d e m   entsteht ein für alle entwicklungsanstoßendes Zwischenfeld neuer Erfahrungen  -  getragen von einem gemeinsamen Interesse (praktisch und kommunikativ)

Kreatives Lernen in der Gruppe ist sowohl ein kommunikativer als auch ein kooperativer Prozess in der B e g e g n u n g bei einer gemeinsamen Aufgabenstellung und ihrer gemeinsamen Problemlösung: Im Zusammenspiel zwischen E r f a h r e n d e m, E r f a h r e n e m und M i t e r f a h r e n d e m entsteht ein für alle entwicklungsanstoßendes Zwischenfeld neuer Erfahrungen - getragen von einem gemeinsamen Interesse (praktisch und kommunikativ)

Die Widerständigkeit der komplexen Natur der Dinge gegen integrale Einheiten und die Metapher des vielperspektivischen Denkens in "Landschaftsskizzen": .............................................................................................. "Nach manchen missglückten Versuchen, meine Ergebnisse zu einem solchen Ganzen zusammenzuschweißen, sah ich ein, dass mir dies nie gelingen würde. Dass das Beste, was ich schreiben konnte, immer nur philosophische Bemerkungen bleiben würden; dass meine Gedanken bald erlahmten, wenn ich versuchte, sie, gegen ihre natürliche Neigung, in e i n e r Richtung weiter zu zwingen. --- Und dies hing freilich mit der Natur der Untersuchung selbst zusammen. Sie nämlich zwingt uns, ein weites Gedankengebiet, kreuz und quer, nach allen Richtungen hin zu durchreisen." Ludwig Wittgenstein 1969 Philosophische Untersuchungen

Die Widerständigkeit der komplexen Natur der Dinge gegen integrale Einheiten und die Metapher des vielperspektivischen Denkens in "Landschaftsskizzen": .............................................................................................. "Nach manchen missglückten Versuchen, meine Ergebnisse zu einem solchen Ganzen zusammenzuschweißen, sah ich ein, dass mir dies nie gelingen würde. Dass das Beste, was ich schreiben konnte, immer nur philosophische Bemerkungen bleiben würden; dass meine Gedanken bald erlahmten, wenn ich versuchte, sie, gegen ihre natürliche Neigung, in e i n e r Richtung weiter zu zwingen. --- Und dies hing freilich mit der Natur der Untersuchung selbst zusammen. Sie nämlich zwingt uns, ein weites Gedankengebiet, kreuz und quer, nach allen Richtungen hin zu durchreisen." Ludwig Wittgenstein 1969 Philosophische Untersuchungen

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